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The Next Big Thing im Recruiting: Ja, aber wo denn?

Das Recruiting ist das Rückgrat jedes Unternehmens. Schließlich hängt der Erfolg einer Organisation weitgehend von den Menschen ab, die sie beschäftigt. Man könnte also denken, dass Arbeitgebende stets bestrebt sind, die besten Talente durch die modernsten und effizientesten Tools zu gewinnen. Doch trotz der rasanten technologischen Entwicklungen in anderen Bereichen scheint das Recruiting in vielen Fällen den Fortschritt zu verpassen. Dieser Eindruck drängte sich beim Besuch der diesjährigen ‚Zukunft Personal‘ auf. Wir fragen uns: Wo bleibt die Innovationsbereitschaft im Recruiting?

Wo bleibt die Künstliche Intelligenz im Recruiting?

Es gibt eine Fülle von Technologien, die das Zeug hätten, den Recruiting-Prozess zu revolutionieren: Künstliche Intelligenz (KI), Chatbots, Predictive Analytics und Automatisierung, um nur einige zu nennen. Insbesondere KI könnte dazu beitragen, die besten Talente für eine Position zu finden und den Prozess effizienter zu gestalten.

Doch beim Besuch der jüngsten Zukunft Personal manifestierte sich bei uns der Eindruck: Viele Hersteller von HR-Softwarelösungen scheinen zu zögern, in diese Technologien zu investieren. Aus Kosten- oder Komplexitätsgründen vielleicht? Oder haben sie möglicherweise bereits investiert, aber die Tools sind noch nicht zur Marktreife gebracht? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur eins: Tief durchdachte KI-Technologien waren rar gesät.

ChatGPT ist der Rocketstar unter den KIs

Wenn es um Künstliche Intelligenz ging, beherrschte vor allen Dingen ein Tool die Debatte: ChatGPT. Kurz zur Erklärung: ChatGPT ist ein neuronales Netzwerk, das mit riesigen Mengen von Textdaten trainiert wurde. Durch dieses Training hat es gelernt, menschenähnlichen Text basierend auf den Eingabeaufforderungen, die es erhält, zu generieren. Wenn Sie also eine Frage stellen oder eine Eingabe machen, verwendet ChatGPT sein trainiertes Modell, um eine entsprechende Antwort oder Fortsetzung des Textes zu generieren.

Die Ergebnisse sind durchaus gut und lassen sich auch für das Recruiting nutzen. Auf diesen Zug sind auch die ersten Firmen aufgesprungen. Erst jüngst gelauncht: der AI-Jobwriter auf ChatGTP-Basis, mit dem sich auf Knopfdruck ziemlich gute Stellenanzeigenvorlagen erstellen lassen. Dafür liest das Tool die Karriere-Website eines Unternehmens aus und generiert aus diesen unternehmensspezifischen Informationen eine gut strukturierte Stellenanzeige. Noch ein bisschen anpassen. Fertig.

Wo bleibt der große Wurf? Das Next Big Thing?

So etwas spart zweifellos Zeit, Geld und Nerven und hat seine Berechtigung. Aber von dem großen KI-Wurf für das Recruiting kann man hier noch nicht reden. Das tun selbst die Hersteller, die Raven51 AG in Kooperation mit der Webquantum GmbH nicht. Sie sagen ganz klar: Das Tool ist vor allem für KMU nice to have. Sie können sich keine größere Agentur leisten und können mit dem AI-Jobwriter dennoch recht ordentliche Stellenanzeigen erstellen. Soweit, so ehrlich.

Ein Blick in den Startup-Bereich der Zukunft Personal ergab hie und da noch mehr Einblicke in die Zukunft des Recruitings. Nehmen wir zum Beispiel die KI-Jobplattform get-ikigai – ebenfalls ein Tool, das auf Basis von ChatGPT funktioniert. Diese Plattform verknüpft Talente mit Unternehmen. Anstatt sich durch traditionelle Bewerbungsverfahren zu quälen, teilen Bewerber ihre Ambitionen und Stärken ChatGPT im Dialog mit. Das Tool fragt, sie antworten.

Frische Ideen aus der Startup-Szene

Gleichzeitig chattet das Tool auch mit Unternehmen und erfragt bei Führungskräften zum Beispiel ihre Firmenvision und -kultur. Der Bot stellt sicher, dass alle nötigen Informationen vorhanden sind und schlägt im nächsten Schritt Übereinstimmungen zwischen Unternehmen und Talenten vor. Wir haben mit den Machern von get-ikigai ein spannendes Gespräch geführt und werden verfolgen, wie es mit dem Startup weitergeht. Das Ganze könnte ausbaufähig sein. Mal sehen!

Interessant fanden wir auch die Idee von Nioomi, einem Portal für globales IT-Recruiting. Die Mission: Den IT-Fachkräftemangel mit internationalen IT-Spezialisten beheben. Hier können Recruiter weltweit führende IT-Experten finden. Detaillierte Profile bieten Einblicke in Qualifikationen, Gehaltserwartungen und die Bereitschaft, nach Deutschland zu ziehen. Nioomi unterstützt dann mit einem praktischen Relocation Self-Service und hilft, den Umzug organisieren. Auch nicht schlecht, auch ausbaufähig.

Gute Ansätze, aber es geht noch mehr

Dennoch geht aus unserer Perspektive noch viel mehr. In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz Automobile autonom fahren lässt, medizinische Diagnosen unterstützt und maßgeschneiderte Empfehlungen in Echtzeit liefert, sollte man meinen, dass der Recruiting-Bereich als Schlüsselsektor jeder Organisation in der ersten Reihe steht, um diese Technologie einzuführen. Doch der Fortschritt hinkt seinen Möglichkeiten hinterher.

Schauen wir uns doch nur mal an, was KI Stand heute allein im Active Sourcing leisten kann. Active Sourcing, die proaktive Suche nach Talenten, hat sich in der modernen Recruiting-Landschaft als entscheidend erwiesen. Doch in einem Meer von Daten und Informationen kann das Durchforsten von Lebensläufen in Businessnetzwerken oder CV-Datenbanken eine zeitaufwendige Herausforderung sein. Hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel, um den Prozess nicht nur effizienter, sondern auch präziser zu gestalten.

KI im Active Sourcing

Wie kann sie helfen?

  •       KI-Modelle können Texte in Lebensläufen nicht nur scannen, sondern auch deren Bedeutung interpretieren. So kann ein KI-System zum Beispiel verstehen, dass „Projektmanagement“ und „Leitung von Teams“ ähnliche Kompetenzfelder darstellen, auch wenn die Wortwahl unterschiedlich ist. Bedeutet: Talente mit verwandten Kompetenzen kommen in die engere Wahl.
  •       Die Fähigkeit der KI, Muster in Daten zu erkennen, ermöglicht es, tiefergehende Analysen von Karrierewegen und -entwicklungen vorzunehmen. Dies hilft Recruiter*innen, Talente zu identifizieren, die zwar nicht exakt die gesuchten Qualifikationen aufweisen, aber ähnliche Karrierewege haben und somit als potenzielle Top-Kandidat*innen gelten könnten. So erhalten auch hochwertige Quereinsteigende ihre Chance.
  •       KI-Systeme können außerdem darauf trainiert werden, Informationen neutral zu bewerten und dabei potenzielle menschliche Voreingenommenheiten – so genannte Biases – zu minimieren. Sie könnten z.B. Informationen wie Alter, Geschlecht oder Herkunft absichtlich „übersehen“ und sich ausschließlich auf die berufliche Qualifikation konzentrieren.
  •       Während menschliche Personaler*innen nur eine begrenzte Anzahl von Lebensläufen in einer gegebenen Zeit durchsehen können, kann KI hunderte bis tausende von Dokumenten in Minuten scannen und analysieren.

·        KI kann CV-Informationen auch mit anderen Datenquellen kombinieren, wie z.B. Social-Media-Profile, Online-Portfolios oder Publikationen, um ein ganzheitlicheres Bild eines Talents zu erhalten.

Unternehmen verpassen ohne technologische Unterstützung wichtige Chancen

Insgesamt bietet die Einbindung von KI in das Active Sourcing die Möglichkeit, den Auswahlprozess neu zu definieren. Durch die detaillierte Analyse von Lebensläufen können Unternehmen sicherstellen, dass sie nicht nur schnell, sondern auch gezielt die besten Talente für ihre Organisation finden.

Daher finden wir: Das Fehlen von KI im Recruiting ist nicht nur eine verpasste Gelegenheit, sondern auch ein potenzielles Hindernis für Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen. In einer Arbeitswelt, die immer globaler und dynamischer wird, benötigen Arbeitgeber effiziente, objektive und skalierbare Werkzeuge, um die besten Talente zu identifizieren und zu binden.

KI hilft, Fehler zu vermeiden

Die manuelle Sichtung von Lebensläufen, altmodische Interviewtechniken und subjektive Bewertungen bieten viel Raum für Fehler und Voreingenommenheit. KI könnte diesen Prozess nicht nur beschleunigen, sondern auch objektivieren und personalisieren, indem sie Muster in Daten erkennt, die dem menschlichen Auge entgehen.

Einige Kritiker*innen argumentieren, dass der menschliche Faktor im Recruitingprozess unersetzlich ist. Das stimmt zweifellos, aber KI zielt nicht darauf ab, den Menschen zu ersetzen. Sie soll ihn unterstützen und ergänzen. Wenn wir uns darauf beschränken, an traditionellen Methoden festzuhalten, riskieren wir, Talente zu übersehen, Chancen zu verpassen und unsere Unternehmen in einer immer komplexeren Arbeitslandschaft ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Fazit – Informieren geht über Studieren

Es ist höchste Zeit, dass der Recruiting-Bereich die Vorteile der KI erkennt und diese aktiv in die Talentakquise und -bindung integriert. Sonst könnten wir bald feststellen, dass die innovativsten Köpfe sich anderswo engagieren, wo moderne Ansätze und Technologien bereits Alltag sind.


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